Josef Niehaus kann auf über 30 Jahre Jugendringarbeit zurückschauen. Als Geschäftsführer leitete er die Jugendringgeschäftsstelle mit ihren vielfältigen Alltagsaufgaben, organisierte Studienfahrten, war an der Fördervereinbarung beteiligt und setzte sich für die Friedensarbeit in Dortmund ein. Für den Jugendring wünscht er sich, dass die Jugendverbände im Interesse der Kinder und Jugendlichen auch künftig über den Tellerrand blicken und so gesellschaftliche Veränderungen wahrnehmen und zu beeinflussen versuchen.
„Für mich war meine Stelle beim Jugendring in erster Linie eine politische Geschäftsführung“, erinnert sich Josef Niehaus. Und in seiner über 30-jährigen Tätigkeit als Geschäftsführer des Jugendrings (04/1979 -12/2011) konnte er gemeinsam mit den Vertreter*innen der Jugendverbände politisch viel bewirken. Zu Beginn seiner Tätigkeit musste sich der Jugendring klar positionieren – denn Anfang der 1980er diskutierte Deutschland über den NATO Doppelbeschluss unter Helmut Schmidt. „Damals ging es um die Frage, wie wir Frieden schaffen können und ob wir dafür Waffen brauchen. Die Jugendverbände waren sich in ihrer Position sehr einig und plädierten damals für ein Frieden schaffen ohne Waffen.“, erinnert sich der ehemalige Geschäftsführer. „Für uns waren Waffen schon immer eine sehr ernsthafte Angelegenheit und das ist bis heute ein hochaktuelles Thema.“ Eine Aktion, die bei manchen wohl als Provokation ankam, bestand in einer Fahrraddemo nach Opherdicke und dem Pflanzen einer Friedenseiche in unmittelbarer Nähe zum dortigen Militärgelände. Diese Friedenseiche steht übrigens heute noch!
Einen besonderen Beitrag zur Völkerverständigung sieht Josef Niehaus in den internationalen Friedenstagen 1995, 50 Jahre nach Ende des 2. Weltkriegs, organisiert vom Jugendring und dem Jugendamt der Stadt Dortmund. Das Zusammentreffen der Jugendlichen aus den weltweiten Partnerstädten Dortmunds war ein starkes Signal für ein friedliches Miteinander. „Dortmund gehört zu den Kommunen mit Partnerstädten, die über die ganze Welt verteilt sind. Da war es uns wichtig, auch 50 Jahre nach Kriegsende weiterhin internationale Begegnungen zu schaffen.“ Besonders auch, weil zu dieser Zeit in anderen Teilen Europas wieder Krieg herrschte. So trugen Jugendring und Jugendamt mit den internationalen Friedenstagen die Relevanz von Friedensarbeit in die gesellschaftliche und politische Öffentlichkeit.
„Ich fände es ein gutes Vorhaben, wenn der Jugendring die Friedenstage 2025 gemeinsam mit dem Jugendamt wiederholen würde. Dies auch mit Bezug auf den Krieg in der Ukraine“, wünscht sich Josef Niehaus.
Neben den Friedenstagen engagierte sich der Jugendring sich verstärkt in der Erinnerungsarbeit. So ist die Mahn- und Gedenkstätte Steinwache im Wesentlichen dem hartnäckigen Engagement des Jugendrings zu verdanken. „Hier hat der Jugendring Stadtgeschichte geschrieben!“, stellt Josef Niehaus fest.
Doch wie setzte der Jugendring Prioritäten und diskutierte über solche wichtigen Ereignisse und Aktionen? „Es gab immer eine gute, konstruktive Diskussion im Jugendring. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass Diskussionen so entglitten wären, dass der Zusammenhalt der die Existenz des Jugendrings gefährdet gewesen wären.“ Dem jeweiligen Vorstand war es immer ein vorrangiges Anliegen, den Zusammenhalt zu fördern. Dementsprechend sei die Atmosphäre stets positiv gewesen. Aktionen und Projekte wurden im Vorstand, im Geschäftsführenden Ausschuss und in der Vollversammlung diskutiert. „Ideen kamen aus den Jugendverbänden oder eben auch von mir. Bei den Projekten hatte der Jugendring immer ein gutes Gespür für das, was in der Stadt passierte oder passieren sollte!“.
Studienfahrten und Demonstrationen
In diesem Zusammenhang ist noch festzuhalten, dass die viermaligen Vollversammlungen im Jahr jeweils einen thematischen Schwerpunkt hatten, zu dem Experten*innen aus Gesellschaft und Politik zu Wort kamen.
Der Jugendring machte den Mitarbeitenden der Jugendverbände weitere thematisch interessante und auch erlebnisreiche Angebote in Form zahlreicher Studienfahrten, zu Themen wie „Europa“ nach Brüssel, Luxemburg und Straßburg, „Windenergie“ nach Dänemark, „Gedenkstättenfahrten“ unter anderem zum ehemaligen KZ Majdanek, „deutsch deutsche Begegnungen“ in Leipzig, „Nordirland-Konflikt“ vor Ort in Belfast … Es war, auf den Punkt gebracht, ein einprägsames Lernen am Ort des Geschehens!
In den 1990er Jahren beobachtete der Jugendring, wie es in Dortmund zu immer mehr und immer größeren Aufmärschen von Neonazis kam. Der Jugendring beteiligte sich daraufhin am Widerstand gegen diese Nazi-Aufmärsche. „In diesem Fall haben wir geschaut: Was passiert eigentlich in dieser Stadt und was ist unsere Aufgabe dabei? Da haben wir manchmal auch eine kritische Haltung gegenüber Entscheidungen staatlicher Stellen, wie Polizei und auch Stadt, eingenommen.“ Zusammen mit juristischer Unterstützung plante der Jugendring zudem, was im Falle eines rechtlich fragwürdigen Vorgehens gegenüber Gegendemonstranten*innen getan werden konnte. Trotzdem soll nicht unerwähnt bleiben, dass es seitens des Jugendrings einen regelmäßigen Austausch mit der Polizeiführung in Dortmund gab. „Im Nachhinein betrachtet, lag der Jugendring mit seiner Einschätzung richtig, dass offizielle Stellen das Ausmaß und das Anwachsen der Nazi-Szene deutlich unterschätzt haben.“, resümiert Josef Niehaus.
Der Jugendring muss umdenken
„Das war nur ein Beispiel, wie wir als Jugendverbände und Jugendring unseren kinder- und jugendpolitischen Auftrag wahrnehmen. Dieser Auftrag ist auch gesetzlich im Kinder- und Jugendhilfegesetz festgeschrieben“, sagt Josef Niehaus. Es sei seiner Meinung nach sehr wichtig, dass die Jugendverbände das politische Mandat, das ihnen zusteht, auch wahrnehmen, sonst gehe ein Teil dessen, was sie ausmache, verloren.
Doch um sich politisch zu engagieren, bedarf es interessierter Jugendlicher und junger Erwachsener, die sich in den Verbänden organisieren und sich einsetzen. Auch Josef Niehaus fällt auf, dass die freiwillige Mitarbeit, wie sie früher noch gang und gäbe war, für viele junge und erwachsene Menschen heute nicht mehr so selbstverständlich zu sein scheint. „Die Gesellschaft und somit auch die Arbeitswelt sind vielfältiger und kurzlebiger geworden. Viele Jugendliche und junge Erwachsene wissen nicht, was sie in ein paar Jahren machen und wo beziehungsweise wovon sie dann leben werden. Da ist es schwieriger, sich auch im Hinblick auf die freiwilligen Tätigkeiten langfristig zu binden.“
Josef Niehaus war von Kindesbeinen an in der Kinder- und Jugendarbeit aktiv. In einer Zeit des Aufbruchs übernahm er in und für die DPSG / Deutsche Pfadfinderschaft Sankt Georg verantwortungsvolle Aufgaben: 1973 – 1976 Diözesanvorsitzender Paderborn, 1976 – 1981 stellvertretender Bundesvorsitzender, 1983 – 1988 Bundesreferent Roverstufe, 1989 – 1990 verantwortlicher Redakteur der Verbandszeitschrift ENTWÜRFE. Bis heute ist Josef Niehaus Mitglied der Freunde + Förderer der DPSG. Soweit ihm bekannt ist, nimmt zur Zeit das Interesse von Kindern (und ihrer Eltern) an einer Mitgliedschaft in der Gruppen der DPSG zu. Wie aber sieht es mit freiwillig Mitarbeitenden aus? Josef Niehaus schließt nicht aus, dass es auch in der DPSG zu einem flexibleren Umgang mit Freiwilligen kommen muss. „Wir haben bei den Pfadfinder*innen einen uralten Spruch ‚Einmal Pfadfinder, immer Pfadfinder‘, der ja grundsätzlich nicht verkehrt ist! Vielleicht muss man/frau mit solchen Sprüchen im Einzelfall jedoch lockerer umgehen!“. Konkret bedeute das: Wenn jemand Interesse an einer Mitarbeit in unserem Verband hat, dann muss der Verband den zur Mitarbeit bereiten Personen auch zusichern, dass persönliche Interessen bezogen auf berufliche Ausbildung oder Studium oder spätere Berufsausübung respektiert werden. „Die freiwillige Tätigkeit kann nicht immer an erster Stelle stehen. Da muss vielleicht auch in den Verbänden ein gewisses Umdenken einsetzen.“
„Wenn du große Dinge tun willst, dann halte dein Gesicht in den Wind!“
Um über finanzielle Mittel zu verfügen, auf die der Jugendring und die Jugendverbände für ihre Arbeit angewiesen sind, war Josef Niehaus 1994 in seiner Aufgabe als Geschäftsführer in die Abfassung und den Abschluss einer längerfristigen Fördervereinbarung eingebunden. Diese Vereinbarung entstand zu einem Zeitpunkt, als die Stadt Dortmund ihren Haushalt nicht mehr ausgleichen konnte und die Fördermittel gekürzt werden sollten. Um trotzdem die finanzielle Förderung weiterhin gewährleisten zu können, kamen Stadt und Jugendring überein, die gekürzte Förderung für fünf Jahre vertraglich zu sichern. „Das war im Nachhinein eine gute Entscheidung, da wir sehr stark an der Ausarbeitung der Fördervereinbarung beteiligt waren. Von Vorteil war auch, dass nun im Jugendring selbst über einen Verteilerschlüssel beraten und beschlossen werden konnte.“
Nicht unerwähnt lässt Josef Niehaus das von Respekt und gemeinsamen Auffassungen bestimmte Miteinander mit dem Jugendamt der Stadt Dortmund. Er erklärt es sich auch damit, dass die in der Leitung des Jugendamtes tätigen Personen Erfahrungen aus dem Aufgabenfeld Kinder- und Jugendförderung mitbrachten. Einem Aufgabenfeld, in dem es immer auch auf eine kinder- und jugendpolitische Betrachtungs- und Handlungsweise ankommt.
Josef Niehaus hat in seinen über 30 Jahren als Geschäftsführer immer nach einer Maxime gehandelt, die da lautet: „Wenn du große Dinge tun willst, dann halte dein Gesicht in den Wind. Getreu dem Motto: Wenn ich etwas als wichtig erkenne, dann muss ich auch dafür eintreten. Auch wenn nicht alles im ersten Anlauf gelingt!“
Genau diese Haltung hofft er auch weiterhin im Jugendring anzutreffen. „Der Jugendring soll der Politik immer ein wichtiges Gegenüber sein und sich für die Belange der Kinder und Jugendlichen in dieser Stadt einsetzen.“
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