Antifaschismus, feministische Linguistik, das Alevitentum…Nevruz und Patrick besprechen diverse Themen in ihrem Podcast. Immer mit einem frischen Blick und der persönlichen Note. Mit uns sprechen sie über ihren Werdegang, den Ausbau von Jugendarbeit und die verlorene Podcast- Folge.
„Hallo hier ist RISE! der Podcast der DGB-Jugend…“ tönt es durch das Café. Nevruz und Patrick sitzen an einem Tisch und unterhalten sich. Im Hintergrund hört man Autos auf der Straße vorbeifahren. Mal lachen sie, mal wird es wieder ernst. Würde man nicht richtig hinhören, wäre es für Passant*innen ein normales Gespräch zwischen zwei Freund*innen.
Doch das ist es nicht. Zumindest nicht ganz. Nevruz und Patrick nehmen eine neue Folge für ihren Podcast auf. Zwischen ihnen sind Mikros und Patricks Laptop, die ihr Gespräch aufzeichnen. „Wir haben über diese Doku „Rechts. Deutsch. Radikal“, die auch im Fernsehen lief gesprochen.“, erinnert sich Nevruz. „Denn die fanden wir beide furchtbar und hatten viel zu diskutieren.“
Diese Folge aus dem Café war nicht das erste Mal, dass sie über Faschismus redeten. In ihrem Podcast RISE! , der über die Jugendorganisation Dortmund-Hellweg des Deutschen Gewerkschaftsbundes läuft, beschäftigen sich Nevruz und Patrick mit zahlreichen gesellschaftspolitischen Themen. So fragen sie sich in der fünften Folge „Ist der NS auch meine Geschichte?“ oder teilen persönliche Erlebnisse, wenn es um positiven Rassismus oder Diskriminierung im Dating geht. Der Podcast lebt dabei nicht nur von der Recherche und der Themenauswahl. Nevruz und Patrick bauen eine Kategorie in jede Folge ein, in der sie persönliche Einblicke in ihre Woche geben. Außerdem geben sie durch den „Shoutout der Woche“ eigene Empfehlungen an die Zuhörenden.
„Man merkt einfach, dass die beiden sich auch privat mit den Themen beschäftigen.“, erzählt Leander Holtz. Er verfolgt den Podcast von Beginn an und absolviert sein FSJ beim DGB in Dortmund.
„Es ist super interessant den beiden zuzuhören und ich find es spannend, dass sie auch viele persönliche Eindrücke miteinfließen lassen.“
Leander Holtz
Doch wer sind die beiden Podcaster*innen?
„Auf Patrick kann ich mich verlassen. Ihn kann ich nachts um drei anrufen und er kommt vorbei.“, beschreibt Nevruz ihren Podcast-Kollegen. Der gebürtige Wittener hatte die Idee für den Podcast der DGB-Jugend, da er vorher sein Freiwilliges Soziales Jahr beim DGB in Dortmund absolviert hatte. Das Dilemma vieler Abiturient*innen brachte ihn dazu: „Ich wusste nicht, was ich danach genau machen sollte.“, so der 20-Jährige.
Während seiner Zeit beim DGB war er unter anderem für das Schulformat „90 Minuten gegen rechts“ zuständig, in dem auch Nevruz mitwirkt. Sein Highlight? „Ganz klar der Moment, wenn ich vor einer Klasse stehen durfte.“. Die Schüler*innen konnten sich öffnen – ohne den Hintergedanken an eine Benotung, erinnert sich Patrick. „Es ist wichtig auch Möglichkeiten zu geben, in denen sie unvoreingenommen und frei über Themen reden können.“Genau das war ihm in seiner Arbeit vor Ort wichtig.
Zu Schulzeiten kam Patrick zum ersten Mal selbst mit Jugendarbeit in Berührung. Er engagierte sich damals in einem Programm für Hausaufgabenbetreuung und Nachhilfe. „Ich konnte auch selbst Nachhilfe von einer Studentin annehmen, das hat mir sehr geholfen.“, erzählt er.
„Das Umfeld hat mich bestärkt“
Die Hilfe, die er erfahren hat, will er zurückgeben. „Ich habe noch nie einen so engagierten Menschen wie Patrick gesehen. Er hat fünf Minuten Freizeit am Tag und den Rest ballert er voll, um anderen irgendwie was Gutes zu tun.“, beschreibt ihn Nevruz. Ob Podcast, Studienberatung oder Veranstaltungsorganisation für Kommilitonin*innen – Patrick ist dabei. „Ich mach viel das stimmt.“, gesteht er „Aber ich helfe auch so viel, weil mir viel gegeben worden ist.“
Die Familie des jetzigen Medizinstudenten kommt aus Portugal. Seine älteren Geschwister besuchten die Hauptschule, nur er schaffte sein Abitur. Am Anfang waren sie skeptisch: „Doch dann habe ich es meinen Geschwistern gezeigt, indem ich mich dann tatsächlich langsam hochgearbeitet habe.“ Er betont, während des Gesprächs oft, wie wichtig das Umfeld für ihn war. „Ich war zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort und ich bin auch sehr dankbar für die ganze Unterstützung, die ich erlebt habe.“, erzählt er nachdenklich.
Die Menschen, die ihn kennen, schätzen Patrick sehr- auch DGB-Jugendreferentin Marijke Garretsen arbeitete während seines FSJs gern mit ihm zusammen. „Er ist einfach eine mega coole Socke – vielseitig interessiert und sehr engagiert.“
Von der Freundschaft zum gemeinsamen Podcast
„Patrick ist keine Person, die davor scheut, jemanden seine Fehler aufzuzeigen und aufzutischen. Das ist meiner Meinung nach das beste in einer Freundschaft, weil man selbst dran wachsen kann.“, beschreibt Nevruz ihre Freundschaft zu Patrick. Die beiden waren schon vor dem gemeinsamen Format bei der DGB befreundet. Sie lernten sich auf einer Fahrt nach Berlin kennen – „Ich weiß noch, dass wir die ganze Zeit über Themen diskutiert haben.“, erinnert sich Nevruz lachend. Ihre Interessen überschneiden sich oft, anders sieht es bei ihrem familiären Hintergrund aus.
„Der größte Unterschied zwischen mir und Patrick ist, dass meine Familie absolut politisch ist. So politisch, dass es unnormal ist.“
Nevruz über ihre Famile
Als kurdisch-alevitische Familie sei man gezwungen sich mit Politik und den Geschehnissen zu beschäftigen. „Es gibt nun mal die Geschichte von Massakern und Diskriminierung in meiner Familie. Deswegen. Da konnte ich nie weg.“ Mit elf nahm sie ihr Vater zu einer Demo mit. „Bei mir war es immer eine Frage der Zeit, wann ich zum Aktivismus gehe und nicht ob. Das gab’s einfach bei mir nicht.“
Die negativen Seiten des Aktivismus
Sie weiß, dass sie nicht die typische Gastarbeiter-Familie seien. Ihr Vater hat BWL studiert – die politische Bildung der Kinder war immer sehr wichtig. „Das sind schon Privilegien, die ich hatte. Trotzdem habe ich auch immer mitgeholfen und im Büro gearbeitet. Als Kind eines kurdischen Vaters musst du mitmachen, ob du willst oder nicht.“, erzählt Nevruz und lacht.
Wenn sie heute zurückblickt, weiß sie, dass der frühe Zugang zu Aktivismus nicht nur Vorteile hatte. Ihr sei vieles genommen worden – auch eine normale Kindheit: „Ich musste dann immer Fragen beantworten. Was ist das Alevitentum? Warum bist du so?“ erinnert sich die 19-Jährige. Trotzdem hat ihr Interesse für Politik nie abgenommen: Sie studiert nun Politikwissenschaften und Anglistik und ist mehr als zufrieden. „Ich bin voll drinnen. Es ist einfach perfekt.“
Zusammen bilden Patrick und Nevruz ein gutes Team. Sie wirken im Gespräch sehr vertraut. „Sie hat mir gezeigt, dass wir auch sensibel für Probleme sein müssen, die vielleicht außerhalb der eigenen Lebensrealität sind.“, sagt Patrick über Nevruz. Die gemeinsame Arbeit an dem Podcast zeigt, wie gut sie sich kennen: „Wir sprechen uns bei der Recherche nie ab. Trotzdem gibt es nie was doppelt. Es passt einfach gut.“, betont Nevruz.
Bezieht die jungen Menschen mit ein!
Das Miteinander und die Begegnung auf Augenhöhe ist für beide auch der zentrale Aspekt von Jugendarbeit. „Ich möchte mit Menschen ins Gespräch kommen und sie an die Hand nehmen und ihnen nicht von oben einen Vortrag halten.“, so Patrick. Während seines FSJs kam er immer wieder in Berührung mit Schüler*innen, die noch nicht so viel über Rechtsextremismus wussten.
„Das sind dann keine blöden Kinder nur weil sie weniger wissen, man muss sie einfach auf ihrem Entwicklungsstand abholen und dann begleiten.“
Patrick über seine Arbeit in Schulen
Nevruz engagierte sich früher in der Grünen Jugend und ist neben dem Podcast Teil des Projekts „90 Minuten gegen rechts“. Für sie ist klar, dass junge Menschen unabhängig ihres Alters eine Stimme haben sollten: „Ich bekomme manchmal mit, dass Meinungen delegitimiert werden, weil sie von jüngeren Personen kommen. Bei guter Jugendarbeit sollte sowas halt einfach nicht passieren.“
Dortmunder Verbände: Vernetzt euch!
Beide freut es, dass sie nun unabhängig von der pandemiebedingten Schulschließung, mit dem Podcast RISE! Bildungsarbeit leisten können. Dabei greifen Verbände ihrer Meinung nach zu selten auf digitale Angebote zurück. „Die Verbände müssen verstehen, dass Jugendarbeit einfach anders aufgestellt sein muss, weil die alten Formate halt nicht so einfach umzusetzen sind.“, betont Patrick.
Besonders in Dortmund sehen sie noch an einer anderen Stelle Potenzial: „Die Städte im Ruhrgebiet müssen sich mehr untereinander vernetzen. Ich komme aus Bochum, war aber auch immer in Dortmund aktiv.“, erzählt Nevruz. Es wäre eine großartige Chance, wenn man mehr überregional machen könnte, so nehmen die beiden den RISE! Podcast auch in Räumen der DGB in Düsseldorf auf.
Pläne für die nächsten Folgen haben die beiden genügend, bald wird es auch speziell um die Arbeit der Gewerkschaften gehen. Doch eine Folge bleibt wohl für immer der Favorit: „Die Folge, die wir damals im Café aufgenommen haben zu der TV Doku, weißt du noch Patrick? Der Laptop ist zusammengebrochen und wir haben sie nicht speichern können.“ Patrick lacht. „Die verlorene Folge, die war echt gut.“
Hört doch mal rein:
RISE! – Der Podcast der DGB-Jugend Dortmund-Hellweg von Nevruz Karakus und Patrick Pais Pereira
Mehr Infos über die DGB-Jugend Dortmund-Hellweg
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