Rainer Siemon war es in seinen vielen Jahren beim Jugendring wichtig, zu zeigen, was Jugendliche gemeinsam verändern können. Sei es der Erhalt der Steinwache, der internationale Jugendaustausch mit Partnerstädten oder Friedensaktionen. Der ehemalige stellvertretende Vorsitzende wünscht sich für die Jugend: „Legt euch mit der Politik an!“
Ein Tag im November, Weihnachten ist nicht mehr allzu weit entfernt. Der Arbeitskreis hat Geld aus dem Jugendring-Etat beantragt, die Presse zu sich eingeladen, Unternehmen um Spenden gebeten. Dem Jugendring ist die Aktion sehr wichtig. Als es dann losging, versammelten sich zahlreiche Gruppen von Kindern mit ihren Spielzeugen. Unter dem Motto „Kriegszeug ist kein Spielzeug“ konnten sie ihre Spielzeug-Pistolen, Panzer und andere waffenähnliche Spielobjekte abgeben.
Im Gegenzug gab es ein neues Spielzeug. „Wir waren immer mit Projekten wie diesem im Jugendbereich stark engagiert“, erinnert sich Rainer Siemon. Die Aktion kam gut an und die Ehrenamtlichen wiederholten sie an verschiedenen Feiertagen. „Das ging so lange gut, bis Kinder gemerkt haben, dass sie gute Spielsachen gegen Kaputte tauschen können. Da mussten wir uns so langsam etwas anderes einfallen lassen“, erzählt Rainer Siemon.
Er war zu dieser Zeit Mitglied bei den SJD – Die Falken und im Vorstand des Jugendrings. Als er 1979 Bildungsreferent und Geschäftsführer der SJD – Die Falken wurde, begann er gleichzeitig seine Arbeit als Beisitzer im Jugendring-Vorstand. Teil seiner Aufgabe war der Arbeitskreis „Kriegszeug ist kein Spielzeug“ – kurz „KIKS“.
Der „Arbeitskreis Frieden“
Die SJD – Die Falken hatten die Aktion schon in den 1950er Jahren durchgeführt und später in den Jugendring überführt und dort fortgesetzt – bis diese Aktivität in eine neue Aufgabe überging. „Wenn gesellschaftliche Veränderung, die wir wollten, eingetreten ist, dann ist solch eine Aktion ausgelaufen.“ Der Jugendring plante den Fokus nach der Aktion mehr auf Jugendliche und ihre Probleme zu setzen und benannte ihn in „Arbeitskreis Frieden“ um. „Wir mussten uns den aktuellen Friedenspolitischen Herausforderungen stellen; etwa den Fragen um die Stationierung von neuen Mittelstreckenraketen in Deutschland“, erzählt Rainer Siemon. Und die Jugendlichen beschäftigten sich mit der Frage: „Gehe ich zur Bundeswehr oder verweigere ich den Kriegsdienst?“
Zu dieser Zeit setzte sich besonders der Jugendclub Courage für die Kriegsdienstverweigerung ein und führte Beratungsgespräche mit Jugendlichen. Zusammen mit diesem organisierte der Jugendring eine Ausstellung, die Fotos des ersten und zweiten Weltkriegs zeigten. „Die Ausstellung „Sie nennen es Frieden“ war allein schon wegen den Fotos heftig anzusehen“, erinnert sich der ehemalige zweite Vorsitzender.
Rainer Siemon hat die Ausstellung mit anderen Vorstandmitgliedern und pädagogischen Fachkräften begleitet. Schulklassen und Jugendgruppen kamen in das Fritz-Henssler-Haus, um sich mit der Ausstellung auseinander zu setzen. „Wir haben Vor- und Nachbereitungsmaterial für die Schulen ausgeteilt, weil das schon für viele ein Schockerlebnis war.“
Die politische Verantwortung des Jugendrings
Insgesamt war eine außerordentliche Betroffenheit vorhanden, erzählt Rainer Siemon. Doch die Rückmeldungen der Lehrkräfte und Schulklassen war durchaus positiv. „Die Ausstellung gab ihnen unter anderem auch die Möglichkeit sich besser mit dem Hitler-Faschismus auseinanderzusetzen, der mit dem 2. Weltkrieg Europa in Schutt und Asche legte und den Holocaust verursachte.“
Sowohl in seiner Zeit beim Jugendring als auch heute, sieht Rainer Siemon den Jugendring in der Verantwortung Friedensarbeit zu leisten und aktuelle politische Themen aufzugreifen. „Das hat einfach etwas mit dem Selbstverständnis des Jugendrings zu tun, sich für und mit den Jugendlichen für Ihre Interessen einzusetzen und zu engagieren. Aus den Erfahrungen und Schrecken des zweiten Weltkrieges lernen und nie wieder eine Waffe tragen zu müssen. Nie, nie mehr Faschismus, nie wieder Krieg war und ist die Lösung.“ Die Jugendverbände waren die Ersten, die den Friedensprozess mit den Ostblockstaaten, vorangebracht haben, erzählt er.
Diese politisch ausgerichtete Arbeit müssen die Jugendverbände auch weiterführen, findet Rainer Siemon. „Es ist eine Aufgabe von Jugendverbänden und vom Jugendring, dass, was gegenwärtig in dieser Welt passiert, zu thematisieren und zu diskutieren.“
Für eine bessere Zukunft kämpfen
Auch in seinem eigenen Verband, der SJD -Die Falken, wünscht er sich, dass die politischen Debatten intensiver geführt werden. Dabei soll es nicht nur um Friedensfragen gehen, die gegenwärtig mit dem Überfall Russlands in der Ukraine eine neue Bedeutung bekommen haben. Auch weitere gesellschaftlich-relevante Themen, wie die soziale Frage, Klimakrise und Sicherung und die Gestaltung der demokratischen Gesellschaft sind Herausforderungen, die sich die Jugendverbände stellen müssten.
„Wir müssen unsere Stimme erheben und für eine bessere Zukunft kämpfen“, betont er. Dafür brauche es jedoch starke Organisationen. Er beobachte, dass Jugendverbände zum Teil Schwierigkeiten hätten junge Menschen langfristig zu binden. Vielmehr liegt das gegenwärtige Interesse bei Projekt orientierten Aktivitäten und Aktionen. „Wenn ich heute über Kapitalismuskritik rede, da schauen mich Viele mit großen Augen an und fragen: Was willst du von mir? Es geht uns doch gut?“
Ein weitere sehr wichtige Wegmarke während seiner Zeit im Jugendring-Vorstand, war der Erhalt der Steinwache. Rainer Siemon brachte das Anliegen in den Jugendring, da er auf einem Modell der Stadtentwicklung bemerkt hatte, dass die Steinwache fehlte. „Der gesamte Bereich im Dortmunder Hauptbahnhof im Norden war vollkommen neu gemacht. Die Steinwache sollte weg.“ Trotz bestehendem Beschluss der städtischen Gremien, setzte er sich mit dem Jugendring für den Erhalt ein.
Jugendarbeit: Solidarisch und Respektvoll
„Wenn Geschichte lebendig dargestellt werden kann, dann in diesem Gestapo Gefängnis“, findet Rainer Siemon und kämpfte über zwei Jahren mit den Verbänden für den Erhalt. „Und das ist eine der herausragenden Geschichten, die ich immer gerne erzähle, wenn junge aber auch ältere Menschen bemerken, man kann nichts verändern. Klar, kann ich etwas verändern. Es braucht aber einen langen Atem, Solidarität und Standfestigkeit. Allein ist man keiner – aber mit vielen eine Macht“
Den Jugendlichen zu zeigen, dass sie gemeinsam etwas ändern und verbessern können, war Rainer Siemon in seiner gesamten Zeit im Jugendring ein Anliegen. „Bei der Jugendarbeit geht es darum, solidarisch zu sein und Respekt vor anderen Kulturen und andersdenkenden Menschen zu haben.“
Daher wünscht er sich, dass die Jugendverbände ihren Zielen entsprechend wieder die Bindungskraft für Jugendliche schaffen, die sie verdient haben. „Jugendverbände und Jugendring unterstützen und begleiten junge Menschen. Sie zu befähigen sich für ihre Interessen zu engagieren und sich für Demokratie und Fortschritt einzusetzen.“
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